Xhaka in Nettetal: "Er lernt auch von uns"

Ein Freitagabendspiel in der Oberliga Niederrhein. 280 Zuschauer wollen sich die Partie zwischen dem SC Union Nettetal und dem SC St. Tönis ansehen. Einer von ihnen ist gerade Deutscher Meister geworden. Granit Xhaka (31), Fixpunkt im Kader von Bayer Leverkusen, ist auf der Sportanlage an der Lobbericher Straße zu Gast.

Dort ist er regelmäßig anzutreffen, seit gut einem halben Jahr hospitiert der Kapitän der Schweizer "Nati" im Rahmen seiner Trainerausbildung bei den Nettetalern. Den 123-maligen Nationalspieler, bei der EURO 2024 am 23. Juni mit der Schweiz in Frankfurt Gruppengegner der deutschen Nationalmannschaft, kennt ein Spieler im Team von Coach Andreas Schwan schon länger und enger: Leonard Lekaj. Der gebürtige Mönchengladbacher ist Granit Xhakas Schwager, seine Schwester Leonita und Granit Xhaka haben sich in dessen Zeit bei der Borussia kennengelernt und geheiratet. Im FUSSBALL.DE -Interview erzählt der 33 Jahre alte Lekaj, wie die Oberligatruppe von dem Fußballstar profitiert - und umgekehrt.

FUSSBALL.DE: Leo, wie kam es dazu, dass Granit Xhaka bei Union Nettetal vorstellig wurde?

Leonard Lekaj: Als Granit im Sommer vom FC Arsenal nach Leverkusen gewechselt ist, hat er nach einem Amateurverein gesucht, bei dem er hospitieren kann. Er hatte schon vorher in London mit seiner Trainerausbildung angefangen und hätte auch bei Bayer 04 im Nachwuchsleistungszentrum hospitieren können, aber er wollte unbedingt in den Herrenbereich.

"Vor allem im zentralen Mittelfeld hat sich unser Spiel verbessert - das ist ein Verdienst der Impulse, die uns Granit geben kann"

Und Sie als Schwager haben Ihre kurzen Drähte spielen lassen…

Lekaj: Genau, das hat sich ja angeboten. Natürlich ist Granit bei Bayer in drei Wettbewerben und der Nationalmannschaft zeitlich stark gebunden und viel unterwegs, aber er ist ein fester Bestandteil unseres Trainerteams und einmal in der Woche bei uns in Nettetal auf der Anlage. Die Trainerausbildung findet in Blöcken statt, die Anwärter müssen gewisse Trainingsinhalte umsetzen, da stimmt er sich eng mit unserem Chefcoach Andi Schwan ab.

Was können die Mannschaft und Trainer Andreas Schwan von einem Star wie Granit Xhaka lernen?

Lekaj: Wir lernen alle voneinander. Wir als Spieler natürlich von ihm, wie er ein Spiel liest, wie er sich als Sechser oder Achter auf dem Platz positioniert, wie er seine Mitspieler einsetzt und so weiter. Aber er lernt auch von uns beziehungsweise bei uns, denn erstens ist er im Trainergeschäft noch ganz jung dabei und fügt sich nahtlos bei uns ein. Er ist keiner, der sich in der Kabine oder auf dem Platz hinstellt und sagt: "Hört mal, ich bin Granit Xhaka, ich habe im Fußball schon alles gesehen." Das passiert alles auf Augenhöhe.

Merkt man in Nettetal denn den Xhaka-Effekt inzwischen?

Lekaj: Auf jeden Fall! Wir treten auf dem Platz noch sicherer auf, sind ruhiger am Ball und wissen in fast jeder Situation, was zu tun ist. Vor allem im zentralen Mittelfeld hat sich unser Spiel verbessert, da sind wir taktisch und technisch einfach reifer geworden, das ist sicherlich ein Verdienst der Impulse, die uns Granit geben kann. Wir hoffen, dass wir in der nächsten Saison mit diesem tollen Trainerteam wieder eine gute Rolle in der Oberliga spielen können.

Ihr Schwager kommt nach Nettetal beziehungsweise auf die anderen Sportplätze in der Oberliga Niederrhein. Wohin folgen Sie ihm?

Lekaj: So oft es geht, bin ich im Stadion. Ich versuche, möglichst jedes Heimspiel von Bayer zu sehen, und war natürlich auch am vorigen Sonntag bei der Meisterfeier dabei. Das war der absolute Wahnsinn! Angefangen hat das vor nunmehr über zehn Jahren in Mönchengladbach, ich bin ein Gladbacher Junge, habe selber in der Jugend der Borussia gespielt und bin selbstverständlich Fohlen-Fan. Als Bayer in dieser Saison gegen Gladbach gespielt hat, war ich hin- und hergerissen, weil ich natürlich auch zu Granit halte.

Und international?

Lekaj: Als Granit bei Arsenal gespielt hat, war ich im Schnitt einmal im Monat in England. Da waren viele Highlights dabei, die Londoner Derbys und mit der Familie das Europa-League-Finale in Baku gegen Chelsea. Besonders war auch das Länderspiel Schweiz gegen Albanien in Lille, als Granit auf seinen Bruder Taulant getroffen ist. Wir haben eine sehr enge Beziehung zueinander, das ist mehr als ein klassisches Verhältnis unter Schwägern, sondern wir fühlen uns brüderlich verbunden.

Bei der EM spielen Deutschland und die Schweiz gegeneinander. Für wen schlägt Ihr Herz?

Lekaj: Da bin ich im Zwiespalt, aber etwas mehr für die Schweiz. Ich werde mir die Partie am 23. Juni in Frankfurt bestimmt anschauen und mitfiebern. Ich bin zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen, aber aufgrund des Heimatlandes meiner Eltern halb Kosovare. Deswegen fühle ich mich auch Albanien sehr verbunden und freue mich sehr darüber, dass das kleine Land zum zweiten Mal bei einer EM dabei ist. Da sind alle heiß, die Stimmung wird riesig sein. Ich freue mich aber auch darüber, dass die deutsche Nationalmannschaft zuletzt wieder gut gespielt und somit eine kleine Euphorie in Richtung EM entfacht hat. Das wird mit Sicherheit ein super Turnier!

Autor*in
Autor/-in: Heiko Buschmann