Temme: "Ich müsste mich selbst entlassen"

Der frühere Oberligaspieler Maurice Temme ist Vorsitzender und Spielertrainer bei dem von ihm selbst gegründeten A-Kreisligisten Westfalia Dortmund. Im FUSSBALL.DE-Interview spricht der 27-Jährige über das erste Remis in der Vereinsgeschichte, die sagenhafte Erfolgsgeschichte mit bislang zwei Aufstiegen und Weltmeister Kevin Großkreutz.

FUSSBALL.DE: Seit der Vereinsgründung 2022 war Ihr Team bislang immer als Sieger vom Platz gegangen. Zuletzt reichte es jedoch beim TSC Eintracht Dortmund erstmals nur zu einem Unentschieden. Wie konnte das passieren, Herr Temme?

Maurice Temme: Das ist schnell erklärt. Einen Tag vor dem Spiel habe ich meinen Junggesellenabschied mit der kompletten Mannschaft gefeiert. Deshalb waren bei uns nicht alle voll auf der Höhe, mich eingeschlossen. (lacht) Am 5. Oktober werde ich meine Freundin Victoria heiraten. Die gesamte Mannschaft wird dann ebenfalls dabei sein. Deshalb haben wir unser Meisterschaftsspiel beim VfR Kirchlinde bereits auf Donnerstag, 3. Oktober, den Tag der Deutschen Einheit, vorverlegt.

Warum wurde dann nicht auch die Partie beim TSC Eintracht auf einen anderen Tag verlegt?

"Einen Tag vor dem Spiel habe ich meinen Junggesellenabschied mit der Mannschaft gefeiert - deshalb waren bei uns nicht alle voll auf der Höhe, mich eingeschlossen"

Temme: Weil ich von den Ereignissen völlig überrascht wurde.

Das müssen Sie erklären!

Temme: Meine Mannschaft hatte mich und meine zukünftige Frau, mit der ich am Dortmunder Hauptbahnhof etwas gegessen hatte, total überwältigt. Als wir das Lokal verließen, ertönte mitten auf dem Vorplatz aus einem Lautsprecher unsere Vereinshymne. Ich drehte mich um und plötzlich standen 16 Jungs vor mir, die auf uns gewartet hatten. Danach sind wir nach Oberhausen zum Top-Golf losgezogen, hatten es bei einer Planwagenfahrt in Dortmund und später in einem Club richtig krachen lassen. Am nächsten Tag saß ich zwar auf der Ersatzbank, konnte aber nicht spielen. (lacht)

Mal ehrlich: Wie sehr ärgert Sie das erste Unentschieden in der Vereinsgeschichte?

Temme: Schon sehr, weil wir auch nach der Roten Karte für meinen Bruder Kevin trotz der 60-minütigen Unterzahl sehr gute Chancen hatten, das Spiel für uns zu entscheiden. Leider haben wir in der 88. Minute auch noch einen Foulelfmeter vergeben. Deshalb mussten wir am Ende mit dem Ergebnis leben.

Sie sind Vereinsgründer, Vorsitzender und gleichzeitig Spielertrainer beim aufstrebenden A-Kreisligisten Westfalia Dortmund. Mit einem Augenzwinkern gefragt: Wie sehr wackelt nach dem ersten Punktverlust Ihr Trainerstuhl?

Temme: Wenn überhaupt, dann müsste ich mich tatsächlich selbst entlassen. (lacht) Nein, Spaß beiseite: Wir fokussieren uns auf den nächsten Gegner und wollen es in den nächsten Spielen natürlich wieder besser machen.

Sie haben bereits zwei Aufstiege in Folge gefeiert, führen aktuell die Tabelle in der Kreisliga A trotz des Remis mit fünf Punkten Vorsprung an. Was spricht gegen einen dritten Aufstieg und wohin wollen Sie den Verein führen?

Temme: Es spricht eigentlich gar nichts dagegen. Ich gehe davon aus, dass wir es erneut schaffen werden. Alles andere wäre eine riesige Enttäuschung. Das muss ich ehrlich zugeben. Ich will mit dem Verein das Maximum herausholen, habe aber keine Ahnung, wohin die Reise gehen könnte. Ein persönliches Ziel ist für mich der Aufstieg in die Oberliga Westfalen. Bis dahin müssten wir noch viermal aufsteigen.

In den vergangenen zwei Jahren hat Ihr Team zusammen 392 Tore erzielt und nur 16 Gegentreffer kassiert. Sie hatten selbst mit 66 Toren maßgeblichen Anteil am Doppelaufstieg. Wie viele Tore haben Sie sich in dieser Spielzeit vorgenommen?

Temme: Die Gegner sind insgesamt stärker geworden und spielen gegen uns nicht mehr so offen, wie es in den Jahren zuvor der Fall war. Wenn ich am Saisonende zehn Treffer auf dem Konto haben sollte, wäre ich zufrieden. Momentan ist mir erst ein Tor gelungen. Unter dem Strich ist es aber völlig egal, wer die Tore erzielt.

Wird es Ihnen wegen der fehlenden Konkurrenz nicht langweilig?

Temme: Das Unentschieden gegen den TSC Eintracht war zwar ärgerlich, hat aber unsere Sinne geschärft. Vielleicht war eine solche Partie mal notwendig, um von unserem bislang sehr erfolgreichen Weg nicht abzukommen. Wir werden jetzt mit Sicherheit kein Spiel mehr auf die leichte Schulter nehmen.

Wie konnten Sie es sich überhaupt erlauben, einen Fußballverein zu gründen, und mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen?

Temme: Mit meinen Brüdern betreiben wir im Sauerland ein Handwerks- und drei Immobilien-Unternehmen. Klar habe ich einige Euro vorfinanziert. Im ersten Jahr haben wir unsere Spiele auf dem Mendesportplatz im Fredenbaumpark bestritten, mussten uns dort mit mehreren Mannschaften abstimmen. Seit der vergangenen Saison spielen wir auf der Platzanlage beim TuS Rahm , teilen uns nur noch mit einem Team den Platz, weil sich die erste Mannschaft des TuS vom Spielbetrieb zurückgezogen hat.

Was hat sich bei Ihrem Klub gegenüber dem Gründungsjahr bereits verändert?

Temme: Wir haben bereits im zweiten Jahr eine Frauen-Mannschaft gegründet, die ebenfalls sofort aufgestiegen ist. Darüber hinaus haben wir mittlerweile fünf Juniorenteams und eine zweite Mannschaft , die in der Vorsaison den Aufstieg nur knapp verpasst hat. Wir konnten zahlreiche Unterstützer für uns gewinnen und haben mittlerweile auch einen eigenen Ausrüster. Es ist schon einiges passiert.

Haben Sie schon einmal daran gedacht, einen ehemaligen Bundesligaprofi an den Verein zu binden, um noch mehr Aufmerksamkeit zu generieren?

Temme: Ich kenne Weltmeister Kevin Großkreutz ganz gut. Er war damals Co-Trainer beim jetzigen Regionalligisten Türkspor Dortmund , als ich für den Verein gespielt hatte. Mit Kevin habe ich einige Gespräche geführt. Mal schauen, ob daraus noch etwas wird. Es gibt aber nur ganz wenige Ex-Profis, die ihre Knochen in der Kreisliga A hinhalten würden. Youssoufa Moukoko hat sich zwar vor seinem Wechsel nach Nizza häufiger bei uns sehen lassen, weil er mit einem unserer Spieler befreundet ist. Er hat aktuell aber noch andere Pläne. (lacht)

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Temme: "Ich will mit dem Verein das Maximum herausholen, habe aber keine Ahnung, wohin die Reise geht."

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Temmes Junggesellenabschied vor einem Ligaspiel: "Wir haben es richtig krachen lassen."

Autor*in
Autor/-in: Peter Haidinger/MSPW