Perviz: Kicker und TV-Polizist mit Herz

Ein paar Tage Urlaub in Kairo, in der Sonne einfach schön ausspannen: Die hat sich Enver Perviz über die Weihnachtstage gegönnt. Es war auch ziemlich viel los im Leben des 30-jährigen Deutschen bosnischer Herkunft.

Verwaltungsangestellter bei der Stadt Düsseldorf, Schauspieler, Kreisliga-Kicker, für sein soziales Engagement ausgezeichneter Ehrenamtler und junger Familienvater: Für Enver Perviz müsste der Tag manchmal mehr als 24 Stunden haben. Aber er will nicht klagen, schließlich hat er sich seit seiner Flucht vor dem Krieg im früheren Jugoslawien und dem Neuanfang in Deutschland stets hohe Ziele gesetzt. Für seinen bewegenden Beitrag "Meine Heimat" für den Blog zuhause.solingen.de ist er mit dem Integrationspreis ausgezeichnet und zu einer fünftägigen Kulturreise nach Istanbul eingeladen worden.

Im Interview mit FUSSBALL.DE erzählt der Stürmer des B-Ligisten VfL Benrath II , dessen Vater kurz vor seiner Geburt als Soldat gefallen war und der als fünfjähriger Halbwaise mit seiner Mutter Samira nach Solingen kam, warum für ihn eine gelungene Integration ganz wichtig war.

FUSSBALL.DE: Enver Perviz, wie war es, als kleines Kind in einem fremden Land aufzuwachsen?

"Das war mir eine Herzensangelegenheit. Ich wollte etwas an das Land zurückgeben, das meine Mutter und mich so gut aufgenommen und uns viele Chancen ermöglicht hat."

Enver Perviz: Ich war ja noch klein und habe mich schnell daran gewöhnt, zum Beispiel indem ich die Sprache möglichst perfekt lerne. Deutschland ist meine Heimat geworden, seit zwei Jahren habe ich auch den deutschen Pass. Meine Mutter hat mir vorgelebt, dass man sich als Gäste gut benimmt und einen positiven Eindruck macht. Ich wollte immer der Beste sein, ob beim Fußball, in der Schule oder bei der Schauspielerei.

Wie hat der Fußball bei der Integration geholfen?

Perviz:  Da war es fast am einfachsten. Auf dem Platz sind alle gleich, für alle gelten die selben Regeln. Und wenn du gut bist, wirst du sowieso anerkannt. Ich war Torwart, habe mit acht Jahren beim TSV Aufderhöhe, heute TSV Solingen, angefangen und über die Stationen DV Solingen und VfB Solingen zum VfL Benrath gekommen.

Aber jetzt bist Du doch gar kein Keeper mehr…

Perviz: Richtig! Es war schon lange mein Wunsch, draußen zu spielen, aber ich muss zugeben, dass ich ein besserer Torwart bin. In Solingen waren wir in der Landesliga am Ball, da hätte es für mich als Feldspieler nicht gereicht. Aber in Benrath, ein paar Klassen tiefer, geht das gut, dort fühle ich mich sehr wohl, und es passt auch vom zeitlichen Aufwand.

Trotzdem hast du dich auch ehrenamtlich engagiert…

Perviz: Das war mir ein persönliches Bedürfnis und eine Herzensangelegenheit. Ich wollte etwas an das Land zurückgeben, das meine Mutter und mich so gut aufgenommen und uns viele Chancen ermöglicht hat. Gemeinsam mit dem Sportbund der Stadt Solingen und der Fuhrgemeinschaft e. V. haben meine Frau Claudia und ich ein soziales Fußball-Projekt fortgeführt, das hieß ‚Sport um Mitternacht‘. Jugendliche und junge Erwachsene jeden Freitagabend in einer Turnhalle der Stadt Fußball spielen. Das lief insgesamt fünf Jahre lang, und im Jahr 2021 bin ich für ‚SuM‘ für den Solinger Bürgerpreis nominiert worden.

Wie kamst Du zur Schauspielerei?

Perviz: In der Schule, der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Solingen, hatten wir eine Theater-AG. Mit 13 hatte ich meine erste Rolle als Romeo in Shakespeares ‚Romeo und Julia‘. Das hat mir sehr gefallen, bis daraus aber etwas Ernsthaftes geworden ist, hat es etwas gedauert. Nach der Schule habe ich erst einmal eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann abgeschlossen und mich dann später bei der Stadt Düsseldorf als Verwaltungsangestellter beworben, wo ich bis zu einer schweren Verletzung beim Fußball im Außendienst tätig war. Vor ein paar Jahren war ich in Köln unterwegs und bin auf der Domplatte plötzlich angesprochen worden, ob ich Interesse hätte, an einem Casting teilzunehmen. Dort habe ich wohl einen guten Eindruck hinterlassen und hatte in den letzten Jahren verschiedene kleine Auftritte in Polizeiserien. Dann kam die Anfrage zu einer richtigen Serie.

Erzähle bitte!

Perviz: Constantin Film hat sich bei mir gemeldet, ob ich einen Polizeikommissar in einer Serie spielen möchte. Den Namen des Beamten durfte ich mir aussuchen. Dann habe ich meine Kumpels im Verein gefragt, und die haben gesagt, Du bist natürlich Kommissar 'Ben Rat'‘ (lacht) . Die erste Staffel haben wir im Frühjahr gedreht, insgesamt 40 Folgen, ab September war sie auf RTL+ zu sehen. Im Moment ist Drehpause, aber es soll eine zweite Staffel geben.

Kannst du dir vorstellen, hautberuflich Schauspieler zu werden? Im Moment ist das ja noch ein Nebenjob, oder?

Perviz: Auf jeden Fall! Auch wenn ich meine Arbeit als Verwaltungsangestellter der Stadt Düsseldorf gerne mache, ist es schon mein Traum, ganz auf die Schauspielerei zu setzen. Meine Kumpels im Verein nennen mich ja schon längst 'Ben Rath', nicht mehr Enver (lacht) . Im neuen Jahr will ich auch wieder öfter zum Training kommen, nachdem ich in der Hinserie etwas kürzergetreten habe. Ich habe mir vor mehr als einem halben Jahr einen Kreuzbandriss zugezogen und musste lange pausieren, ehe ich im letzten Spiel der vergangenen Saison mein Comeback auf dem Platz feiern durfte. Es ging gegen die SG DSV 04/GSC Hellas, ich bin eingewechselt worden und habe direkt ein Tor geschossen. Kitschig, oder?

Autor*in
Autor/-in: Heiko Buschmann