Munoz: Niendorf statt Profi in Kolumbien
Mit 15 Jahren kam er nach Deutschland, im Rahmen eines Schüleraustauschs seiner deutschen Schule in Kolumbien. Es sollte nur für ein Jahr werden, doch Andres Munoz Hermes fühlte sich wohl in Schlotheim in Thüringen – auch wegen des Fußballs. 2018 war das, als der Teenager auf dem Sport- und Bildungscampus ein neues Kapitel in seinem noch jungen Leben aufschlug. Als es für ihn vor einem Jahr zurück in die Heimat ging, hätte es eine Rückkehr für immer sein können, schließlich lockte ein Profivertrag. Doch statt in der ersten oder zweiten Liga Kolumbiens spielt der inzwischen 20 Jahre alte Linksverteidiger nun beim Niendorfer TSV in der Hamburger Oberliga. FUSSBALL.DE erzählt er, warum.
FUSSBALL.DE: Andres, wie kam es, dass Sie vor etwas mehr als fünf Jahren in Deutschland gelandet sind?
Andres Munoz Hermes: Ich war in Cali in Kolumbien auf einer deutschen Schule, einem Gymnasium, und habe für den Club Deportivo Escuela de Futbol Sarmiento Lora gekickt. In der zehnten Klasse macht man einen Schüleraustausch mit Deutschland, ich bin also nach Schlotheim gekommen. Normalerweise ist das für ein Jahr, aber als das Jahr herum war, bin ich dageblieben. Es hat mir gut gefallen, ich liebe Deutschland – und im Fußball hat es gut geklappt für mich.
Wo haben Sie gespielt?
"In Deutschland bin ich der Latino-Zocker - und in Kolumbien 'der Aleman'"
Munoz: Zunächst beim SSV Schlotheim , ehe ich im Jahr 2021 zu Preußen Langensalza gewechselt bin und dort in der U 17-Regionalliga gespielt habe. Als ich in der U 19 war, wurde ich sogar schon zu den Senioren hochgezogen. Ich habe samstags 90 Minuten in der ersten Mannschaft gespielt und sonntags in der A-Jugend. (lacht)
Haben Sie Ihre Heimat, die Familie und Freunde in Kolumbien, nicht sehr vermisst?
Munoz: Doch, natürlich! Das ist hart, als junger Mensch so weit weg von den Eltern zu sein. Aber wir haben über WhatsApp und Facetime Kontakt gehalten, außerdem bin ich im Winter immer für ein paar Wochen nach Hause geflogen.
So wie vor einem Jahr…
Munoz: Das war eine andere Situation. Ich war, wie üblich, über Weihnachten und den Jahreswechsel bei meiner Familie in Kolumbien. Der Rückflug nach Deutschland war aber schon gebucht. Ich habe zu der Zeit in Langensalza in der ersten Mannschaft gespielt und war mitten in meiner Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann. Dann bin ich aber zum Probetraining beim Club Deportivo La Equidad Seguros eingeladen worden. Die spielen in der ersten kolumbianischen Liga…
Ist für Sie ist ein Traum wahr geworden?
Munoz: Ja! Ich hatte immer vor Augen, Fußballprofi zu werden – und natürlich ist das in Deutschland schwieriger als in Kolumbien. Nun hatte ich in meiner Heimat die Chance, mir meinen Traum zu erfüllen.
Wie ist es gelaufen?
Munoz: Es war aufregend! Ich habe mit der ersten Mannschaft trainiert, bin in den Spielen dann aber nur in der U 23 zum Einsatz gekommen. Das war zwar vorher so abgesprochen, aber ich hatte mir mehr erhofft. Nach drei Monaten bei La Equidad bin ich zu Deportivo Cali gewechselt und habe dort sogar zusammen mit Stars wie dem früheren WM-Teilnehmer Teofilo Gutiérrez sowie Andrés Pérez, ebenfalls ein ehemaliger Nationalspieler, auf dem Platz gestanden.
Wo sehen Sie die größten Unterschiede im kolumbianischen und deutschen Fußball?
Munoz: In Kolumbien gibt es sehr viele talentierte Spieler, die technisch gut sind und viele Tricks können. In Deutschland aber sind die Strukturen viel besser und es wird taktisch besser ausgebildet. Ich habe zum Glück inzwischen ein bisschen von beidem. In Deutschland bin ich der Latino-Zocker, der ballverliebt ist und auf dem Platz auch mal ungewöhnliche Dinge ausprobiert. Und in Kolumbien bin ich "der Aleman". (lacht)
War die Umstellung schwer für Sie, als Sie mit 15 Jahren nach Deutschland kamen?
Munoz: Ja, ich habe ein halbes Jahr gebraucht, um mich an die deutsche Spielweise zu gewöhnen. Als ich aber begriffen habe, worum es auf dem Platz geht, hat es mir sehr viel Spaß gemacht. Ich liebe es, auf dem Flügel nach vorne zu stürmen und Flanken zu geben.
Bevor Sie vor einem Jahr nach Kolumbien geflogen sind, haben Sie in Langensalza gespielt, das ist in Thüringen. Als Sie nun vor ein paar Monaten nach Deutschland zurückgekommen sind, hat es Sie nach Hamburg verschlagen. Wie ist der Wechsel zum Niendorfer TSV zustandegekommen?
Munoz: Ich habe Verwandte in Hamburg, eine entfernte Tante, die ich besucht habe. In Niendorf habe ich dann ein Probetraining absolviert und bin vom Verein verpflichtet worden. Die ersten Wochen habe ich beim NTSV noch in der zweiten Mannschaft in der Landesliga gespielt und bin dann in die Oberliga-Erste hochgezogen worden.
Und wie lauten Ihre nächsten Ziele?
Munoz: Zunächst möchte ich in Niendorf bleiben, denn hier fühle ich mich sehr wohl. Außerdem bin ich im dritten Lehrjahr und möchte meine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann erfolgreich abschließen. Ich traue mir aber zu, ein, zwei Ligen höher zu spielen und hoffe, dass sich das irgendwann ergeben wird. Außerdem hätte ich Lust, nebenher eine Jugendmannschaft zu trainieren. Das habe ich schon in Schlotheim gemacht und dort auch meine UEFA-B-Lizenz erworben. Ich habe also im Fußball noch viel vor!