Kießling vor Ü 40-Cup: "Wir wollen gewinnen"

Mit 144 Toren in 403 Spielen belegt Stefan Kießling den 17. Platz in der Liste der erfolgreichsten Torschützen der Fußball-Bundesliga. Und er ist der einzige Torschützenkönig der Liga in der Geschichte von Bayern 04 Leverkusen. Von Freitag bis Sonntag wird er Bayers Mannschaft als Kapitän beim DFB Ü 40-Cup in Berlin aufs Feld führen.

FUSSBALL.DE: Herr Kießling, im Sommer 2018 konnten Sie sich nur noch unter Schmerzen die Schuhe binden. Jetzt haben Sie Bayer Leverkusens Ü 40-Mannschaft zum Titelgewinn im Westen geführt. Sind Sie also inzwischen schmerzfrei?

Stefan Kießling: Ja, eigentlich mittlerweile komplett. Das liegt auch daran, dass ich eine künstliche Hüfte auf der rechten Seite habe. Nach meinem Karriereende habe ich mit der OP erst mal noch ein Jahr gewartet und geschaut, ob es wieder besser wird, musste es dann aber doch machen lassen. Anschließend hat es natürlich eine Weile gedauert, so mit Reha und allem, bis ich wieder ganz fit war. Jetzt kann ich mich wieder gut bewegen, auch wenn mir manchmal nach intensivem Sport die Knochen weh tun. Aber das ist dann eher altersbedingt (lacht) .

Das heißt, Fußball geht auch mit einem künstlichen Hüftgelenk?

"Jetzt kann ich mich wieder gut bewegen, auch wenn mir manchmal nach intensivem Sport die Knochen weh tun"

Stefan Kießling: Ja, sicher. Aber ich bewege mich eben auch nicht mehr im Leistungsbereich, wo täglich was draufkommt. Bei den alten Herren ist ja beispielsweise die Grätsche verboten. Ich habe erlebt, dass alle diszipliniert spielen. Die meisten im Ü-Bereich verstehen schon, dass man keine 20 Jahre mehr jung ist.

Waren die Probleme zum Ende der Karriere Verschleiß und damit ein Tribut an ihre Spielweise?

Kießling: Es lässt sich nicht absolut genau sagen, was der Auslöser war, in einem Spiel habe ich mal einen harten Schlag auf die Hüfte bekommen. Wahrscheinlich war es dieser Moment. Aber ja, ich habe mich während meiner Jahre in der Bundesliga in jeden Zweikampf geworfen. Und natürlich spürt man da insgesamt körperlich einen gewissen Verschleiß.

Über einen Zeitraum von fünf Saisons bestritten Sie 2567 Zweikämpfe, das waren rund 500 mehr als jeder andere Spieler. Jupp Heynckes lobte, kein Stürmer ackere mehr als Stefan Kießling.

Kießling: Diese Herangehensweise hat mich auch ausgezeichnet.

Mit der Ü 40 von Bayer Leverkusen sind Sie Westdeutscher Meister geworden. Wie viel Spaß macht Ihnen der Fußball im etwas vorgerückten Alter?

Kießling: Sehr viel Spaß. Wir sind eine coole Truppe. Man freut sich, wenn man sich sieht. Natürlich ist noch Ehrgeiz da und bei der Westdeutschen Meisterschaft ging es ordentlich zur Sache. Es ist Wettbewerbsfußball. Aber gleichzeitig geht es einfach auch um die Freude am Spiel, den Spaß, dass wir miteinander auf dem Platz stehen.

Werden Sie die Mannschaft beim Ü 40-Cup in Berlin als Kapitän anführen?

Kießling: Ja, was auch daran liegt, dass ich Ehrenspielführer von Bayer 04 Leverkusen bin. Da genießt man automatisch ein paar Privilegien (lacht) .

Stefan Beinlich und Axel Kruse haben in der Vergangenheit beim DFB Ü 40-Cup gespielt. Mal ehrlich, hatten Sie früher mal von dem Turnier gehört?

Kießling: Das schon. Auch schon während meiner aktiven Zeit. Direkt nach meiner Karriere musste ich erstmal meinen 40. Geburtstag abwarten.

Worauf kommt es als junger Stürmer an? Haben Sie einen Ratschlag?

Kießling: Ich war halt immer ein Spieler, der sich sehr viel erarbeitet hat. Ohne ein gewisses Talent schafft man es nicht. Doch es kommt auch auf den Fleiß an. Als junger Stürmer sollte man sich auf jeden Fall nach Trainingsende nochmal ein paar Flanken schlagen lassen, um einfach mal ohne Druck zum Kopfball hochzugehen. Oder man legt sich Bälle an die Strafraumgrenze. Ich habe während meiner Laufbahn viel daran trainiert, Abschlusssicherheit zu bekommen. Bei ein paar Länderspielen habe ich später Miro Klose getroffen, der lebte das auch so.

Nachdem Bayer fünfmal Vizemeister wurde, hat es diese Saison geklappt. Waren Sie bei der Meisterfeier nach dem letzten Heimspiel gegen Augsburg dabei?

Kießling: Ja, und in Berlin, als wir den Pokal gewonnen haben. Ich repräsentiere Bayer 04 Leverkusen auch bei Fan- und Sponsorenterminen und während der gesamten Saison war die Stimmung aufgrund der starken Auftritte der Mannschaft sehr gut. Mir machen diese Begegnungen mit den Fans großen Spaß. Leverkusens Fans sind immer bereit, die Mannschaft mit großem Rückhalt und wirklich tollen Choreos zu unterstützen. Diese Entwicklung hat übrigens lange vor der zurückliegenden Saison angefangen.

Sind Bayers Fans genauso euphorisch oder am Boden zerstört wie die von Traditionsklubs?

Kießling: Ehrlich gesagt ärgert mich dieser Vergleich. Was heißt eigentlich Traditionsklub? Uns gibt es seit 1904. Ich will da kein Fass aufmachen, aber ich finde diese Diskussion immer schon unnötig. Jeder Verein hat seine Geschichte. Wir sind seit vielen, vielen Jahrzehnten in der Bundesliga. Auch in Leverkusen blicken wir mittlerweile also auf eine lange Tradition.

Wie viel "Family and Friends" bringt Bayer mit nach Berlin?

Kießling: Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Ich komme jedenfalls allein, meine Frau muss Arbeiten. Ich denke, wir werden vielleicht mal mit der Mannschaft Essen gehen.

In Berlin kann man gut ausgehen. Aber mit wie viel Ehrgeiz geht ihr die sportliche Aufgabe an?

Kießling: Es ist schon ein gesunder Ehrgeiz. Die Stärken der anderen Mannschaften kann ich nicht bewerten. Jeder wird sicher sein Bestes geben wollen und das werde ich auch tun. Und ja, klar wollen wir den DFB Ü 40-Cup in Berlin gewinnen.

Autor*in
Autor/-in: Thomas Hackbarth