Junior Ref: "Lebensschule Schiedsrichterei"

"Das Schiedsrichter-Hobby ist die beste Entscheidung meines Lebens." Es ist still im Saal, als Julia Boike, Schiedsrichterin der 2. Frauen-Bundesliga, spricht. Die rund 60 Mädchen im Raum hängen ihr an den Lippen. Dass Julia Boike gemeinsam mit Moiken Wolk, DFB-Abteilungsleiterin der Schiedsrichter*innen, und Christina Baitinger, Sportliche Leitung Schiedsrichterinnen, vor Ort an der Marienschule in Offenbach ist, hängt mit der Projektwoche der Schule zusammen. Eines der Projekte heißt "Junior Ref", ein Anfängerlehrgang für Schiedsrichter*innen, in dem die Mädchen die Grundausbildung bekommen. Noch bis bis Mittwoch stehen inhaltliche Themen auf dem Programm. Es geht um souveräne Körpersprache, Abseits, Handspiel und Freistöße, ehe dann am Donnerstag sowohl eine schriftliche als auch eine Laufprüfung anstehen.

Wie kam es dazu, dass die Mädchenschule einen solchen Lehrgang anbietet und es einen so großen Andrang gab? "Eine Sportlehrerin der Schule war bei einem Sportlehrertreffen in Offenbach zu Gast, wo das Projekt 'Junior Ref' erwähnt wurde", sagt Rupert Kopp, Deutsch- und Religionslehrer und selbst eifriger Fußballer. "Wir waren interessiert, und als klar war, dass unsere Schule angenommen wurde, habe ich das Projekt in die Hand genommen. Es ist bei den Mädchen auf riesige Resonanz gestoßen." Genauso wie ein großer Teil der Schülerinnen. "Wir haben viele Fußballfans an der Schule, die sich dafür interessieren, aber auch selbst aktiv spielen."

"Ich will Schiedsrichterin werden"

Die Teilnehmerinnen haben Spaß an der Sache, das merkt man. Vor allem als Wolk und Baitinger den jungen Mädchen Rede und Antwort stehen. Zu Anfang herrscht noch Zurückhaltung, aber dann überwiegt die Neugierde. Die 16-jährige Zorana sticht mit interessierten Fragen hervor. Sie habe sich für den "Junior Ref" entschieden, weil es ein spannendes Projekt und eine schöne Idee sei. Einfach an der Seite zu stehen und zu kritisieren sei einfach, durch den Lehrgang aber erfahre man, wie es ist, als Schiedsrichterin auf dem Spielfeld zu stehen und zu pfeifen.

"Ich fand es cool, dass wir eine Schiedsrichterin hier hatten, sonst kennt man ja meistens nur die männlichen Schiedsrichter"

Auch Lina und Marie, beide 17 Jahre alt, interessieren sich sehr für das Schiedsrichterwesen. "Ich will Schiedsrichterin werden", antwortet Lina selbstbewusst auf die Frage, warum sie den Kurs besuche. Und Marie meint: "Ein Teil von uns wollte sowieso einen Schiedsrichterschein machen. Umso besser, dass es jetzt bei uns in der Schule angeboten wird." Gut kommt bei den Mädchen auch Julia Boike an. Die 29-Jährige pfiff mit 16 Jahren ihre ersten Spiele und ist nun Schiedsrichterin in der 2. Frauen-Bundesliga.

"Ich fand es cool, dass wir eine Schiedsrichterin hier hatten, sonst kennt man ja meistens nur die männlichen Schiedsrichter", sagt Marie. Gerade die Sichtbarkeit von Schiedsrichterinnen ist wichtig. Von den 53.000 Schiedsrichter*innen in Deutschland sind nur knapp 2300 weiblich. "Deswegen würden wir uns freuen, wenn viele von euch nach der Projektwoche den Weg auf den Fußballplatz finden und Spiele leiten", sagt Moiken Wolk. Interesse daran, den Weg als Schiedsrichterin weiterzugehen, ist auf jeden Fall bei einigen der Mädchen vorhanden. Zorana, aber auch Marie und Lina können sich vorstellen, nach dem Lehrgang auf den Platz zu gehen und zu pfeifen.

"Neue Perspektiven gewinnen"

Schiedsrichterin zu sein, ist keine Einbahnstraße. "Es gibt einem sehr viel zurück", schwärmt Boike. "Durch die Schiedsrichterlaufbahn konnte ich viele neue Perspektiven gewinnen, habe neue Menschen kennengelernt und es hat mir auch sehr bei Vorstellungsgesprächen und im Berufsleben geholfen. Die Erfahrungen, die man sammelt, sind sehr bereichernd." Sie rät den Mädchen, keine Angst zu haben, weil es viel Spaß mache, Entscheidungen auf dem Fußballplatz zu treffen. Das Schiedsrichterwesen lehre junge Menschen Durchsetzungskraft und Entscheidungswillen - und daran könnten alle wachsen.

Auch die jungen Teilnehmerinnen erhoffen sich einiges aus dem Anfängerlehrgang. "Ich habe mich hier angemeldet, um neue Erfahrungen zu machen, und menschlich nimmt man auch viel mit", sagt die 15 Jahre alte Helen. Auch Rupert Kopp lobt: "Es hat mir gut gefallen, dass es neben der Regelkunde auch Rollenspiele zur Sozialkompetenz gab. Das hilft den Schülerinnen auch über das Schiedsrichterwesen hinaus." Er resümiert: "Es war ein toller Tag, und ich freue mich auf die nächsten."

Autor*in
Autor/-in: Anna Steiner