Hüsten: Hier wurde Weltmeister Kabar entdeckt

Mathe und Geschichte statt Finale und rauschendem Empfang auf dem DFB-Campus. Für Almugera Kabar, frisch gebackener Weltmeister mit der deutschen U-17-Nationalmannschaft in Indonesien, hat in der Heimat wieder der Alltag begonnen. Seinen Kumpels auf dem Franz-Stock-Gymnasium ins Arnsberg-Hüsten wird der Schütze des entscheidenden Elfmeters im Endspiel am vorigen Samstag gegen Frankreich viel zu erzählen haben, wenn er wieder mitten unter ihnen auf der Schulbank sitzt.

Den Verteidiger von Borussia Dortmund hat Erdal Özcelep vor mehr als zehn Jahren entdeckt. Der 45-Jährige, Jugendtrainer bei Almugera Kabars Heimatverein SV Hüsten 09 , verrät im FUSSBALL.DE -Interview, wie das genau vor sich ging - und wie er den kleinen Kicker nach einem schlimmen Schicksalsschlag aufrichtete.

FUSSBALL.DE: Herr Özcelep, was ist in Ihnen vorgegangen, als "Ihr Junge" Almugera Kabar zu einem der großen Helden von Surakarta wurde?

Erdal Özcelep: Leider konnte ich das Spiel gar nicht sehen, weil ich mit meiner Jugendmannschaft vom SV Hüsten 09, in der auch mein Sohn kickt, selber ein Turnier hatte. Ich konnte nur ein bisschen auf dem Handy den Liveticker verfolgen, und als es dann ins Elfmeterschießen ging, habe ich den Livestream angemacht. Als Almugera zum entscheidenden Strafstoß angetreten ist, habe ich gesagt: Der hat früher beim "Elfmeterkönig" immer nach unten rechts geschossen, das macht er jetzt auch. So war es!

"Almugera konnte Sachen am Ball wie kein anderes Kind in dem Alter - die Zuschauer sind teilweise von den Sitzen aufgestanden und haben ihm applaudiert"

Sind Sie stolz darauf, was er erreicht hat - und Sie einen kleinen Teil dazu beigetragen haben?

Özcelep: Ich möchte das nicht zu hoch hängen. Natürlich freue ich mich wahnsinnig für ihn und seine Familie. Schon nachdem die U 17 die EM gewonnen hatte, kamen ein paar Leute auf mich zu und haben gesagt: "Super, was dein früherer Schützling erreicht hat!" Aber ich habe ihn ja nur ein paar Jahre begleitet, als er noch ein Kind war, und ihm in der Zeit vielleicht einige wichtige Tipps mit auf den Weg gegeben. Den Rest hat er dann allein geschafft beziehungsweise mit seinen späteren Trainern und Förderern.

Wie war es denn damals genau, als Sie beim SV Hüsten 09 Jugendtrainer waren? Wie haben Sie Almugera Kabar dort erlebt?

Özcelep: Hüsten ist ein kleiner Ort, da läuft man sich regelmäßig über den Weg. Ich habe Almugera ein paar mal mit einem Ball in der Hand gesehen, als er so daherlief, aber ich wusste nicht, ob er im Verein spielt. Bei uns war er jedenfalls nicht. Dann habe ich ihn angesprochen, ob er zum nächsten Training kommen würde - das hat er auch gemacht.

Wie ging es dann weiter?

Özcelep: Man hat sofort gesehen, was er draufhat. Er hat bei uns in der F2 angefangen, war aber größer und schneller als die anderen Jungs und auch am Ball sehr stark. Wir haben ihn in die F1 hochgezogen, er ist immer vorneweg gelaufen und hat die anderen Kids mitgezogen. Den konnte man überall einsetzen, meist hat er im Mittelfeld gespielt, war aber auch dauernd hinten und vorne. Und wenn wir Hallenturniere hatten, hat er die Spiele meistens allein entschieden. Er hat sich den Ball geschnappt, mit seinem starken linken Fuß aus der zweiten Reihe abgezogen, und der Ball ist im Tor eingeschlagen. Das konnte kein anderes Kind in dem Alter. Die Zuschauer sind teilweise von den Sitzen aufgestanden und haben ihm applaudiert.

Irgendwann wurde er wahrscheinlich zu gut für den kleinen SV Hüsten 09, oder?

Özcelep: Er war vier Jahre bei uns, jeweils zwei Jahre in der F- und E-Jugend, danach ist er für ein Jahr zur Hammer Spielvereinigung gewechselt. Ich wollte ihn lieber bei einem richtig großen Verein unterbringen, aber das hat zunächst aus mehreren Gründen nicht geklappt.

Warum nicht?

Özcelep: Zunächst musste Almugera leider einen schlimmen Schicksalsschlag hinnehmen, seine Mutter ist gestorben. Ich kann mich noch genau daran erinnern, als das passiert ist. Sie hat auf dem Weg nach Hause einen Herzinfarkt erlitten und ist dann im Krankenhaus verstorben. Wir waren gerade bei einem Hallenturnier, als uns die Information erreicht hat - und mussten irgendeinen Weg finden, ihm diese schreckliche Nachricht beizubringen. Das war ganz schlimm, Almugera hatte anfangs keine Lust mehr, weiter Fußball zu spielen und ist erst mal nicht mehr zum Training gekommen. Irgendwann haben wir ihn davon überzeugen können weiterzumachen. Ich habe ihm dann gesagt: "Deine Mama wollte, dass du weiter Fußball spielst. Sie hat mir gesagt, dass ich bitte dafür sorgen soll, dass er nach Dortmund geht."

Beim BVB ist er seit vier Jahren, er hat es in die Junioren-Bundesliga und in die Nationalmannschaft geschafft - und jetzt ist er sogar Europa- und Weltmeister.

Özcelep: Sein fußballerischer Werdegang stand aber völlig auf der Kippe, als seine Mutter verstorben war. Volker Pröpper, früher ganz lange Dortmunds Jugendtrainer und danach beim BVB Junioren-Chefscout sowie -Kaderplaner, hat ihn zunächst nach Hamm gebracht.

Haben Sie Kontakt zu Almugera, konnten Sie zum Gewinn des WM-Titels gratulieren?

Özcelep: Nein, noch nicht, aber das werde ich nachholen, wenn er wieder hier vor Ort ist. Der Verein plant eine Aktion: Ich habe gehört, dass er zu den Hallenstadtmeisterschaften eingeladen und ihm dort ein Hüsten-09-Trikot überreicht werden soll.

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Kabar (2.v.r.) und die deutsche U 17 bejubeln den WM-Titel: Man hat sofort gesehen, was er draufhat.

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"Der hat früher beim Elfmeterkönig immer nach unten rechts geschossen, das macht er jetzt auch": Kabar trifft zum U 17-WM-Gewinn.

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Özcelep: "Ich habe Almugera ja nur ein paar Jahre begleitet, als er noch ein Kind war, und ihm vielleicht einige wichtige Tipps mitgegeben."

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Özcelep: "Die Zuschauer sind teilweise von den Sitzen aufgestanden und haben Almugera applaudiert."

Autor*in
Autor/-in: Heiko Buschmann

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