Hilfarth-Comeback: Aus 0:4 wird 4:4!
Im 1993 erschienenen Film-Klassiker "Und täglich grüßt das Murmeltier" geriet US-Schauspieler Bill Murray in eine Zeitschleife, erlebte denselben Tag immer wieder aufs Neue. So oder so ähnlich muss sich auch Christoph Scheufen (33), Trainer beim SV Niersquelle Kuckum in der Kreisliga A Heinsberg, beim turbulenten Topspiel gegen Tabellenführer Germania Hilfarth (4:4) gefühlt haben.
Der Grund: Wie schon im Hinspiel zwischen beiden Vereinen (4:5) reichte Kuckum erneut eine 3:0-Halbzeitführung nicht zum Sieg. Dabei baute Scheufens Team diesmal die Führung nach der Pause sogar noch auf 4:0 aus. Am Ende musste sich der Tabellenfünfte jedoch mit nur einem Punkt zufriedengeben, weil die Gäste wieder einmal Comeback-Qualitäten bewiesen, ab der 69. Minute aufdrehten und innerhalb einer Viertelstunde noch zum 4:4-Endstand ausglichen.
Für Hilfarths Präsidenten René Reinartz (40) der seit 15 Jahren für die Geschicke im Verein verantwortlich ist, war das keine Überraschung. "Ich habe immer daran geglaubt, dass eine Aufholjagd wie im Hinspiel möglich ist", sagt er im Gespräch mit FUSSBALL.DE .
Hilfarths Torjäger Schostock: Fünf Treffer als Joker
Beim ersten Aufeinandertreffen im September war die Partie nach einem ähnlichen Muster verlaufen, allerdings noch spektakulärer. Kuckum legte los wie die Feuerwehr, wähnte sich nach einer 3:0-Führung zur Pause bereits als sicherer Sieger. Dann aber schlug die große Stunde von Hilfarths Torjäger Pascal Schostock. Der 32 Jahre alte Mittelstürmer wurde nach einer halben Stunde eingewechselt und sorgte mit einem Fünferpack (49./58./60./78./82.) praktisch im Alleingang für die 5:3-Führung. Der Anschlusstreffer der Gäste in der Nachspielzeit zum 5:4-Endstand war am Ende eines hochklassigen A-Kreisliga-Spiels nur noch "Ergebniskosmetik".
"Wie im falschen Film" fühlte sich nach dem Rückspiel Kuckums Trainer Scheufen, während Hilfarths Vorsitzender Reinartz die erneute Aufholjagd schon hatte kommen sehen. FUSSBALL.DE hat nachgefragt.
FUSSBALL.de: Zwei 3:0-Führungen verspielt, am Ende nur ein Punkt aus zwei Partien. Haben Sie so etwas schon einmal erlebt, Herr Scheufen und Herr Reinartz?
Christoph Scheufen: In dieser Form noch nicht. (lacht) Ich hatte die Mannschaft noch gewarnt und gesagt, dass uns so etwas wie beim 4:5 im Hinspiel nicht mehr passieren darf. Es gibt aber einfach manchmal Dinge im Fußball, die kann man nicht erklären.
René Reinartz: Wie bereits im Hinspiel haben wir erneut schlecht angefangen und sind gegen eine sehr guten Kuckumer Mannschaft ins Hintertreffen geraten. Der Gegner hat es überragend gemacht und unsere Schwächen eiskalt ausgenutzt. Normalerweise sollte eine 4:0-Führung zum Sieg reichen, aber wir stecken einfach nie auf und haben eine hohe Qualität im Kader. Wenn wir einmal richtig ins Rollen kommen, wird es für jeden Gegner schwierig. Ich bin mir sicher: Wenn wir noch fünf Minuten länger gespielt hätten, wären wir auch beim zweiten Duell noch als Sieger vom Platz gegangen.
Wie ist aus Ihrer Sicht dieser Spielverlauf zu erklären?
Scheufen: Nach dem ersten Gegentreffer hatten wir plötzlich wackelige Beine, jede Ordnung ist bei uns verlorengegangen. Vielleicht hat uns am Ende auch ein wenig die Power gefehlt. Wir mussten dem hohen Tempo der ersten Halbzeit Tribut zollen.
Reinartz: Der Gegner hat in der ersten Halbzeit den Fußball seines Lebens gespielt und wir waren grottenschlecht. Mit den Einwechslungen von Kapitän Justin Neyka, der zuvor lange verletzt war, und Angreifer Gino Krings, der beruflich bedingt zuletzt nur wenig trainieren konnte, haben wir das Spiel in der zweiten Halbzeit aber noch in eine andere Richtung gelenkt. Der SV Niersquelle Kuckum hatte sich in den ersten 50 Minuten ausgepowert und zum Ende hin keine Körner mehr.
Wie viele graue Haare sind bei Ihnen nach der Partie hinzugekommen?
Scheufen: Das sind mit Sicherheit einige. (lacht)
Reinartz: Um ganz ehrlich zu sein: Zur Halbzeit hatte ich nur wenig Hoffnung, dass wir die Partie wirklich noch drehen, weil ich kaum positive Ansätze von unserem Team gesehen hatte. Nach dem 4:3 wusste ich aber, dass wir es noch schaffen, weil unser Torjäger Pascal Schostock bis dahin noch keinen Treffer erzielt hatte. Mit dem 4:4-Ausgleich hat Pascal mit nun 21 Treffern auch die Führung in der Torschützenliste übernommen.
Wie sind die Reaktionen nach dem Spiel ausgefallen?
Scheufen: Die Enttäuschung war riesengroß. Das Remis fühlte sich wie eine Niederlage an. Nach dem 4:0 dachte ich, dass wir es diesmal schaffen, das Ergebnis über die Zeit zu bringen. Ich ziehe aber meinen Hut vor der Moral des Gegners, der auch nach einem 0:4 nie aufgegeben hat.
Reinartz: Bei uns war es natürlich umgekehrt. Der Punktgewinn war für uns wie ein Sieg. Im Vereinslokal wurde die Aufholjagd anschließend gebührend gefeiert. (lacht)
Wie fühlt es sich an, wenn man statt zweier sicher geglaubter Siege nur einen Punkt mitnimmt?
Scheufen: Das ist extrem ärgerlich. Bei einem Sieg hätten wir noch im Kampf um die Meisterschaft mitmischen können. Jetzt drücke ich Germania Hilfarth für den Aufstieg die Daumen, damit uns in der nächsten Saison solche Spiele erspart bleiben. (lacht)
Wie viel Auftrieb gibt die erneute Aufholjagd für den Saisonendspurt?
Reinartz: Wir haben seit dem 4. Spieltag keine Partie mehr verloren, wollen erstmals den Aufstieg in die Bezirksliga schaffen. In zwei Wochen steht für uns das Spitzenspiel beim Tabellendritten Ay-Yildiz Spor Hückelhoven an, die mit dem ehemaligen Gladbacher Bundesligaprofi Raffael einen überragenden Spieler haben. Wir freuen uns sehr auf die Partie, die bestimmt 1000 Zuschauer anlocken wird.