Frau "Es dürfen gerne mehr werden"

Nicola Roos ist einzigartig. Sie ist die einzige Frau im deutschen Amputiertenfußball. Fünf Teams gibt es, die in der Bundesliga gegeneinander antreten: Fortuna Düsseldorf, Hamburger SV, Tennis Borussia Berlin, Anpfiff Hoffenheim und Mainz 05. Die Rheinhessen sind im Oktober Deutscher Meister geworden, mit Nicola Roos. Die 18-Jährige hat mit 14 ihr rechtes Bein verloren, nach einer Knochenkrebsdiagnose musste das Beim amputiert werden. Ihre Leidenschaft für den Fußball hat darunter nicht gelitten, eher im Gegenteil.

Im Interview mit FUSSBALL.DE erzählt die Studentin an der Uni Karlsruhe (Geografie und Mathematik auf Lehramt), wie sie den schweren Schicksalsschlag überwinden konnte und welche Ziele sie auf dem Platz hat.

FUSSBALL.DE: Nicola Roos, wie ist es so, allein unter Männern?

Nicola Roos: Daran habe ich mich schon gewöhnt. Allerdings muss ich zugeben, dass es körperlich schon etwas anderes ist, nur gegen Männer zu spielen. Wenn ich beispielsweise in einen Zweikampf mit einem 30-jährigen Mann gehen muss, dann wird es schon schwierig für mich. Aber ansonsten finde ich, dass ich ganz gut mithalten kann.

"Mir war von Anfang an klar, dass ich weiter Fußball spielen möchte"

Wie kamst du zum Fußball?

Roos: Ich habe mit vier Jahren angefangen, bei mir im Ort Fußball zu spielen. Das war anfangs eine gemischte Mannschaft, in der auch zwei Mädchen dabei waren. Später wurde ich auch zu einem Stützpunktteam eingeladen. Ich habe das quasi bei uns in der Familie ins Rollen gebracht, und meine kleineren Brüder kamen dann auch dazu.

Du warst gerade im Teeniealter, als du ein Bein verloren hast. Was ist passiert?

Roos: Als ich 14 Jahre alt war, wurde bei mir Knochenkrebs im Kniegelenk festgestellt. Nach einer Zerrung im Oberschenkel habe ich gemerkt, dass ich mein Bein nicht weiter als 90 Grad beugen konnte. Daraufhin wurde ich zweimal operiert, bei der dritten Operation wurde dann der Krebs entdeckt. Um sicherzugehen, dass sich der Krebs nicht ausbreiten kann, wurde mein rechtes Bein amputiert.

Wie bist du damit umgegangen?

Roos: Anfangs habe ich nicht wirklich verstanden, was los war, stand auch ein wenig unter Schock. Aber dann habe ich mich aufgerappelt, da ich auch von allen Seiten, natürlich insbesondere von meiner Familie, super unterstützt wurde. Und mir war von Anfang an klar, dass ich weiter Fußball spielen möchte.

Hast du einen besonders starken Charakter? An solch einer Geschichte kann man auch verzweifeln…

Roos: Ja, ich denke, dass ich sehr lebensfroh bin. Ich habe mir gesagt, dass ich das mit dem Bein nicht ändern kann und nach vorne schauen muss.

Möchtest du so auch ein Vorbild für andere Menschen mit einer körperlichen Einschränkung, wie zum Beispiel mit einem amputierten Bein, sein?

Roos: Das wäre schön. Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass Amputiertenfußball in Deutschland populärer wird. Wenn ich mit Menschen darüber spreche, kennen die meisten das gar nicht. In anderen Ländern ist Amputiertenfußball weiter verbreitet, zum Beispiel in Polen. Als ich vor zweieinhalb Jahren in Hoffenheim angefangen habe, gab es nur drei Mannschaften, inzwischen sind es fünf - und es bauen sich weitere Teams auf. Außerdem bin ich die einzige Frau, das dürfen gerne mehr werden.

Du nimmst selber viel Aufwand in Kauf, um kicken zu können. Von deinem Wohnort Ettlingen bei Karlsruhe bis nach Essenheim, wo Ihr mit Mainz 05 trainiert, sind es 130 Kilometer…

Roos: Pro Strecke bin ich über zwei Stunden unterwegs, erst fahre ich ein Stück mit dem Bus, und dann nimmt mich ein Teamkollege mit. Für den Fußball mache ich das gerne. Ich möchte aber öfters als nur alle 14 Tage freitags trainieren, deswegen möchte ich bald wieder bei einer Frauenmannschaft anfangen, voraussichtlich beim ATSV Mutschelbach. Während meiner Schulzeit habe ich in Ettlingenweiher im Frauenteam gespielt, aber vor dem Abi habe ich aufgehört, weil ich da weniger Zeit hatte.

Und jetzt hast du dein bestes Jahr im Fußball hinter dir?

Roos: Auf jeden Fall. Mit der Nominierung für die Nationalmannschaft ist ein Traum für mich wahrgeworden. Ich war schon voriges Jahr bei der Nations League dabei, aber die EM im Juni war noch einmal eine Nummer größer. Und jetzt sind wir mit Mainz 05 Deutscher Meister geworden, besser geht es nicht.

Doch, es geht noch besser: Als Meister seid Ihr für die Champions League qualifiziert - und 2026 wartet die WM in Costa Rica!

Roos: Wenn wir im Nationalteam über die WM reden, ist die Vorfreude schon riesig, aber bis dahin ist es ja noch Zeit. Jetzt freue ich mich erstmal auf die Champions League mit Mainz 05.

https://www.dfb.de/fileadmin/_processed_/202412/csm_313700-roos_mainz_05_5d6c01c3c8.jpg

Roos: "Ich habe mir gesagt, dass ich das mit dem Bein nicht ändern kann und nach vorne schauen muss"

https://www.dfb.de/fileadmin/_processed_/202412/csm_313701-ross_mainz_05_2_4868f5a50a.jpg

Spitzenteam: Mit Mainz 05 hat sich Nicole Roos für die Champions League qualifiziert.

Autor*in
Autor/-in: Günter Schneider